Ziel: Steigerung der Wertigkeit im Tourismus

Will man die dynamische Entwicklung des Alpenraumes, insbesondere jene von Tirol, eingehend beleuchten, so ist es unmöglich, die beiden Aspekte Tourismus und Regionalentwicklung getrennt voneinander zu betrachten. Nur die Gegenden, wo es seit jeher Transitrouten gibt oder sich der Tourismus – bis hin zum Massenphänomen – entwickelt hat, waren bzw. sind nicht von einer Ent­völkerung bis hin zum Aussterben ganzer Talschaften bedroht. Selbst ohne Expertenwissen lässt sich erkennen, dass vormals ärmliche Bergdörfer durch den Fremdenverkehr zu wirtschaftlichen Aktiv­regionen wurden. Der Tourismus führte zu einer Stärkung nahezu aller untergeordneter Wirtschafts­zweige, sorgte für eine infrastrukturelle Erschließungswelle und schuf zahlreiche Arbeitsplätze. Folge davon war unter anderem ein deutliches Bevölkerungswachstum. Diese Rolle des Tourismus als „Motor der Regionalentwicklung“ scheint ihm eine derartige Sonderstellung zukommen zu lassen, dass die Auswirkungen seines Handelns bisher (zumindest in den Tourismusregionen selbst) wenig kritisch beleuchtet wurden. Viele der eben aufgezeigten positiven regionalwirtschaftlichen Impulse durch den Tourismus lassen sich jedoch eher als zufällige Nebenprodukte, anstatt als eine gezielte Ent­wick­lungsstrategie, charakterisieren.

Darüber hinaus zeigt ein Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre, dass die eben beschriebenen Zusammenhänge heute kaum mehr haltbar sind. Hoch- bzw. überentwickelte Tourismusorte werden zu neuen Hotspots der Abwanderung, wie es z.B. in Sölden, Ischgl oder St. Anton bereits jetzt deutlich zu spüren ist. Steigende Immobilienpreise, auswärtige GroßinvestorInnen oder die sinkende Bereitschaft vieler Einheimischer in der Branche zu arbeiten sind mit ein Grund dafür. Vielerorts lässt sich beobachten, dass sich das System Tourismus zunehmend von der Lebenswelt der Einheimischen (sofern diese nicht selbst als Tourismusunternehmer auftreten) entkoppelt. Dementsprechend bedient der Tourismus anstatt des Gemeinwohls heute vielmehr sich selbst. Soziale und ökologische Auswirkungen geraten dadurch immer mehr in den Vordergrund.

Wie Studien zeigen, spielt auch die oft beschriebene Umwegrentabilität (z. B. Hotel kauft beim lokalen Bäcker) eine immer kleiner werdende Rolle, da sich in vielen Tourismusorten eine Monostruktur herausbildet, in welcher andere Branchen schrittweise verdrängt werden. Für „all-inclusive-Gäste“ gibt es beispielsweise keine Notwendigkeit mehr, ihr Hotel außer zum Skifahren zu verlassen, um bspw. im Dorfcafé Kaffee zu trinken.

Die Antwort auf diese Entwicklungen kann nur eine (Wieder-)Stärkung der Querverbindungen zwischen den einzelnen regionalen AkteurInnen (von der Landwirtschaft über die Kultur bis hin zu jedem Einzelnen) und Wirtschaftstreibenden der Region sein. Der Tourismus soll nicht mehr als alleiniger Treiber der Regionalentwicklung gesehen werden. Denn so werden Regulations­mechanismen, welche die Regionen benötigen, außer Kraft gesetzt, was ein kaum steuerbares Wachstum zur Folge hat. Vielmehr sollte die Impulsgebung unter heutigen Rahmenbedingungen auch von einer regional­planerischen Seite her erfolgen. Setzt man durch gezielte Maßnahmen und Förderungen zukunfts­weisende Impulse für die Region, so lässt sich eine übergeordnete Entwicklungsstrategie erarbeiten und koordiniert umsetzen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Tourismus kein geschlossenes System ist, welches rein auf die Ressourcen vor Ort zurückgreifen kann – gewisse Abhängigkeiten werden in der Branche immer fort bestehen. Gäste und finanzieller Austausch sind per Definition die Verbindung des Systems nach außen. Gegenbeispiel dafür ist eine traditionelle Landwirtschaft – diese kann nur auf die Ressourcen vor Ort zurückgreifen. Wenn nun der eine große Akteur per Definition „von außen“ bedient wird, während der andere nur regional wirtschaften kann, kommt es gerade in Phasen des Aufschwunges zu untragbarem Ungleichgewicht, es sei denn, es kann eine Symbiose aus beiden hergestellt werden.

Die einfache Herangehensweise, zuerst das zu nutzen, was vor Ort vorhanden ist und regionale Kreisläufe zu stärken bevor man neu investiert, zubetoniert, etwas von außen holt, usw. wird gleichzeitig zum größten Potentialen für die Tourismusentwicklung. Ein auf Nachhaltigkeit orientierter Tourismus erhöht seine Wertigkeit umso mehr, da er sich nicht nur als Entwicklungshilfe versteht, sondern sich selbst eine stetig verbesserte Region als Basis seines Wirkens bzw. Wirtschaftens schafft.