Ziel: differenzierter Unternehmensmix

Wie auch an anderer Stelle unter dem Punkt „Resilienz und Handlungsfähigkeit“ beschrieben, ist die Multifunktionalität einer Region ausschlaggebend für ihre Anpassungsfähigkeit auf Veränderungen der Umwelt. Dies gilt ganz allgemein für ökologische, gesellschaftliche und ökonomische Entwicklun­gen, aber auch im speziellen, was die Vielfalt des Unternehmertums in einer Region angeht. Gegen­den, die nur in einer Branche (z.B. Bergbau, Stahlindustrie, Kohleindustrie, Tourismus etc.) speziali­siert sind bzw. waren, fallen Umwälzungen in der globalisierten Welt leichter zum Opfer.

Die richtigen wirtschaftlichen, politischen, infrastrukturellen aber auch gesellschaftlichen Rahmenbe­dingungen zur Entfaltung erfolgreichen, unternehmerischen Tuns sind für die Entwicklung von Bran­chen und Regionen angesichts des (inter­na­tionalen) Standortwettbewerbs essentiell.

Methodisch fundierte Analysen unter Einbezug partizipativer Prozesse sowie technologischer Ent­wick­lungen wie der digitalen Transformation dienen dazu, Handlungsempfehlungen für Politik, Unter­­nehmen und Branchenverbände zu entwickeln.

Der Tourismus in den Alpen war und ist ein – in manchen Gegenden auch der – Motor für die Entwicklung der Region. Für dessen Aufbau und den Betrieb sind vielerlei Branchen, Unternehmen und Infrastrukturen notwendig, die Arbeitsplätze schaffen, damit auch ganzjährig Menschen an­ziehen und zu einer Vitalisierung und der oben schon erwähnten Multifunktionalität des Raumes führen. Entwickelt sich der Tourismus zu schnell oder nimmt eine für die Region über­pro­portional ungesunde Größe an, kann sich das Zu­sam­men­spiel jedoch auch ins Gegenteil umkehren. Die lokalen Kapazitäten reichen dann oft nicht mehr aus oder können aufgrund ihrer meist klein- oder mittelständischen Größe nicht mit den Skalen­effekten und Preisen großer Unternehmen außerhalb der Region mithalten. (z.B. ein lokaler Veranstalter vs. international tätiger Event-Agenturen, der lokale Bäcker vs. günstiger Aufback-Teilglinge aus Großbetrieben in Osteuropa, auswärtige Saisonarbeiter in prekären Beschäftigungsverhältnissen usw.). Entsteht hier kein sinn­volles Zusammenspiel von Tourismus und lokalem Gewerbe oder der Landwirtschaft, kann sich der gegenseitig befruchtende Prozess umkehren, Betriebe wandern ab oder sperren zu. Der Tourismus wird mono­polistischer, seine Wich­tig­keit nimmt relativ zur Wirtschaftsleistung der Region gesehen zu, entsprechend domi­nant wird seine Rolle. Der fehlende Mix im Unternehmertum bzw. den Gewerbetreibenden macht die Region aber insgesamt v.a. für Einheimische weniger attraktiv, womit der Tourismus selbst „an dem Ast sägt, auf dem er sitzt“.

Die Nähe zu Innsbruck ist für das Stubaital bzw. Neustift Vor- und Nachteil. Nur eine halbe Stunde entfernt findet sich dort fast alles an Handwerk, Gewerbe, Unternehmen und Infrastruktur (inkl. Flughafen). Ebenso aber auch ein viel weniger saisonabhängig und teilweise besser entlohnter Arbeits- und Absatzmarkt sowie v.a. bildungstechnische, kulturelle, gastronomische Angebote, die die Stadt für viele Menschen als Wohn-, Arbeitsort und Lebensraum interessant machen. Die geringen Entfernungen ins Stubaital machen auch ein Pendeln möglich und die hohen Immobilienpreise im Stadtgebiet oft notwendig.

Das Projekt „Alte Schule – neues Leben“ bietet die Möglichkeit, dass im Rahmen des partizipativen Austauschs ersichtlich wird, welche Potenziale Neustift und das Stubaital (noch) haben und wie sie für einen gegenseitigen Mehrwert genutzt bzw. ausgebaut werden können. Möchte man beispiels­weise regionale Produkte in einer großen Hotelküche verwenden, muss dies Hand in Hand aufgebaut werden: der Erzeuger erhöht seine Produktion nur, wenn die Abnahme gesichert ist, der Abnehmer kann es seinen Gästen wiederum nur anbieten, wenn Auswahl und Menge auf einem relativ kon­stanten Qualitätsniveau gewährleistet werden. Aussterbendes Handwerk kann im Rahmen einer Schau- bzw. Gemeinschaftswerkstatt nicht nur eine Touristenattraktion sein, sondern auch ein­heimischen Jugendlichen die Möglichkeit bieten, etwas kennen zu lernen und ein Interesse dafür zu entwickeln, was Ihnen die moderne digitale Welt nicht bietet. Ein Angebot von Bildungs- oder Kunst- und Kulturveranstaltungen in den Räumlichkeiten der Schule ist ein Anziehungspunkt für Alt und Jung, Auswärtige und Einheimische und kann einen befruchtenden Austausch liefern, der wiederum Ideen für Neues liefert. So kann ein Momentum mit „Start-up-Charakter“ entstehen, das mittel- bis langfristig die Vielfalt des Unternehmertums vor Ort erhöht und nachhaltig stärkt.